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Aktuelle Artikel

Gegen das Beharren auf Binarität – Warum Materialismus nicht Transfeindlichkeit bedeutet

Von Koschka Linkerhand

Bisher hatte ich nicht vor, einen Text zu schreiben, der die Debatte um Transsexualität ins Zentrum stellt. Ich bin keine Expertin in Transgender-Fragen. Mein feministisches Erkenntnisinteresse rankt sich um verschiedene Lebensrealitäten von Frauen und Mädchen und streift das Thema Geschlechtstransgress mit der lesbischen Flanke. Dennoch werde ich, wie viele feministische Autor*innen, Referent*innen, Gruppen und Institutionen, immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, entweder trans Menschen abgrundtief zu hassen und auslöschen zu wollen – oder aber einem angeblich übermächtigen Transaktivismus verpflichtet zu sein, der den Kampf um Frauenrechte untergrabe. Die Drastik der Kontroverse, die über einen innerfeministischen Streit hinausreicht, macht es unmöglich, keine Stellung zu beziehen, sich in Ruhe eigenen Themen zu widmen und nicht zu viel ins Internet zu gucken, wo die Shitstorms gegen Transaktivist*innen wie auch sogenannte TERFs1 toben. Die Fronten sind enorm verhärtet. …


Internationalismus ohne Osteuropa? Wieso linke Kräfte gut daran tun, osteuropäische Perspektiven wahrzunehmen

Von Laura Loew

Universitätsinstitute, die sich auf historischer, kulturwissenschaftlicher oder linguistischer Ebene mit Osteuropas Sprache, Geschichte und Gesellschaft auseinandersetzen, stellen üblicherweise eigene Biotope dar, in deren Gänge sich selten andere VertreterInnen der jeweiligen Fachdisziplinen verirren. Aber genau wie viele andere gesellschaftliche Bereiche sind auch diese Mikrokosmen mit der Ausweitung des russischen Angriffskrieges auf das gesamte ukrainische Territorium sozusagen implodiert. In letzter Minute geplante Vorlesungen zur Geschichte der Ukraine, deren HörerInnenzahlen wenn nicht ganz die Marke von Einführungsveranstaltungen in Maschinenbau erreichen, so doch fachinterne Rekorde brechen, reihenweise Meinungsbeiträge in deutschen Leitmedien, die zuvor vereinzelten Fachkoryphäen vorbehalten waren, und die auf einmal freiwerdenden Finanzmittel, die Universitätsleitungen nun fast bereitwillig zur Verfügung stellen, sind nur einige Anzeichen dieser plötzlichen Popularität. Und nun ist es selbstverständlich müßig, sich über die Funktionsweisen von Aufmerksamkeitsökonomie zu echauffieren, über das Kaputtsparen der Osteuropaforschung an deutschen Hochschulen, oder gar die Leier zu bemühen, dass OsteuropaexpertInnen schon vor Jahren vor genau diesem Szenario gewarnt hätten. Es lohnt jedoch, nochmal einen Blick darauf zu werfen, wie die deutsche Wissenschaft und Politik, besonders auch sozialdemokratische und progressive Stimmen, in den letzten Jahren über Osteuropa diskutiert haben, diese Debatten mit Diskursen in den Ländern selbst abzugleichen und schließlich abzuwägen, wie sich diese Diskussion produktiv weiterentwickeln kann. …


Wichtiger denn je? Anmerkungen zum Verhältnis von politischer Bildung und digitaler Transformation

Von Nils Quentel

„Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch, der durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche getrieben wird. […] Diese Veränderungen sind keine festgeschriebenen Entwicklungen, sondern gesellschaftlich und politisch gestaltbar.“
(Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, 2022)

Digitalisierung – Digitale Transformation – Datafizierung – Digitalität: Wie man das Phänomen auch benennen mag, der Siegeszug von Datenprozessen in diverse Felder unserer Gesellschaft ist nach wie vor in aller Munde. Dabei ist der zugrundeliegende Prozess, das Datafizieren bzw. Digitalisieren – „„the rendering of social and natural world in machine-readable digital format“ (Williamson, Bayne & Shay 2020: 351), unverändert. Was sich verändert hat, ist die Skalierung, die Verfügbarkeit und natürlich die Rechenleistung, die sich im Rekordtempo weiterentwickelt. …