Call for Paper: Zwischen den Sicherheiten – Linke Perspektiven im Spannungsfeld zwischen Militarisierung und internationaler Solidarität

Diese Debatte wollte die (deutsche) Linke lange nicht führen, sie entzog sich ihr regelrecht. “Krieg und Frieden”, Militarisierung, Wehrpflicht, Verteidigung der (unzureichenden) Errungenschaften der liberalen Demokratie – darüber dachte die (deutsche) Linke formelhaft nach, mit wiederaufgewärmten Slogans aus den 1980er Jahren, oder gar nicht.

Lange schien es, als müsste diese Lücke nicht (mehr) gefüllt werden. Nach Jahrhunderten europäischer imperialer und militärischer Ausdehnung sowohl in unmittelbarer Nachbarschaft als auch in Übersee glaubten viele (West-)Europäer:innen spätestens seit dem Ende der Systemkonkurrenz, das eigene Militär würde in Zukunft nur noch in weiter Ferne dienen. Diese Geisteshaltung kann in der Rückschau leicht naiv wirken.Doch diese Einschätzung wäre einerseits zu bequem, eine ,Wir haben es schon immer gewusst’-Haltung ist selten produktiv. Andererseits würde es auch die Hoffnungen und Utopien verhöhnen, die mit der Vernachlässigung des Nachdenkens über Waffengewalt einhergegangen waren.

Nun kratzt militärische Gewalt allerdings wieder mit großer Brutalität an den Grenzen des sogenannten „Westens”, terroristische Gewalt ist in sein Innerstes vorgedrungen und die innenpolitischen Debatten greifen immer unverhohlener auf martialische Lösungen zurück. Die EU, gestern noch als zivilisatorische Errungenschaft hochgehalten, schottet sich mit rigider Gewalt vom Elend auf der anderen Seite des Zauns ab. Und im Zeichen der Sicherheit bauen europäische Regierungen den liberalen Rechtsstaat ab. Sicherheit, Abwehr, Verteidigungsfähigkeit sind längst im Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Debatten angekommen. Die Begriffe zirkulieren nicht nur im Vokabular von Konservativen und Liberalen. Auch als Linke können wir uns diesen Diskussionen nicht verschließen, wenn wir den Anspruch nicht aufgeben wollen, unsere politischen Analysen stets an den aktuellen Ausgangslagen auszurichten.

“Zwischen den Sicherheiten”, der Titel unserer Ausgabe, meint zweierlei: Wir möchten einerseits über Themen der Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik nachdenken. Gleichzeitig möchten wir die Räume zwischen (vermeintlich) sicheren Überzeugungen ausloten. Eine materialistische, emanzipatorische Perspektive bedeutet auch, die eigene Analyse an den konkreten, sich stetig verändernden, politischen Grundbedingungen auszurichten. Wir wollen es uns nicht auf einem Ticket bequem machen, das trotz veränderter Realitäten als Lösungsschablone angewendet wird. Gegenwärtige Fragen brauchen gegenwärtige Antworten. Diese möchten wir gemeinsam mit Euch suchen – und dabei nicht so tun, als hätten wir sie schon gefunden.

Wir freuen uns über Artikelvorschläge zu den folgenden Themen:

  • Historische und aktuelle Verhältnisse der Linken zu Gewalt
  • Feministische Perspektiven auf die Folgen von Gewalt und Krieg
  • Militarisierung im Spannungsfeld zwischen dem Kampf um die liberale Demokratie und autoritärem Staatsumbau
  • Linke Perspektiven auf das Verhältnis von Staat und Gewalt sowie die Tendenz der Ent-Staatlichung von Gewalt und militärischen Verbänden (Terrorgruppen, Freiwilligenbrigaden, Privatsöldner)
  • Was bedeutet internationale Solidariät in gewaltsamen Auseinandersetzungen? Welchen staatlichen, politischen oder zivilgesellschaftlichen Akteur:innen gilt unsere Solidarität?
  • Thematisch passende Rezensionen (Eigene Buchvorschläge, wir können aber auch auf Anfrage einen Titel empfehlen)

Gerne könnt ihr auch weitere eigene Ideen einbringen, die sich in dem skizzierten Themenfeld bewegen.

Das Redaktionsteam freut sich über Artikelvorschläge an jungeperspektivends@gmail.com oder auf Instagram @jungeperspektivends. Die fertigen Artikel sollen einen Umfang von ca. 10.000-12.000 Zeichen haben. Alternativ sind auch etwas kürzere Rezensionen aktueller, zum Themenschwerpunkt passender Bücher möglich – wir haben einige Bücher im Blick (schreibt uns dazu!), freuen uns aber auch über eigene Vorschläge. Bitte reicht Vorschläge für Artikel (vorläufiger Titel + kurzes Abstract) bis zum 28. September 2025 ein. Nach Annahme durch die Redaktion müssen die Artikel bis 2. November 2025 fertiggestellt werden. Die Artikel werden in der gedruckten Ausgabe der perspektivends sowie auf http://www.junge-perspektiven.de/ online veröffentlicht.

Die «jungen perspektiven» sind seit der Ausgabe 02/2016 fester Bestandteil der «perspektivends – Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik», die zweimal jährlich im Schüren Verlag erscheint und auf ehrenamtlicher Basis von der Hochschulinitiative demokratischer Sozialismus e.V. (HDS) herausgegeben wird. Das Leitbild des Arbeitskreises ist kritische Wissenschaft, die die Welt als unvernünftig eingerichtet begreift, zugleich aber die Stränge des gelungenen Lebens und der politischen Restvernunft in ihr zu verteidigen sucht. Wir meinen, dass die Konstellation von Theorie, Text und Praxis dazu beitragen kann.