Autoritarismus und MAGA-Populismus – Die Konstruktion vom «Volk» bzw. der «Ingroup» durch die US-Republikaner

In wohl kaum einem anderen Land wird aktuell so deutlich, welch zerstörerische Kraft der zeitgenössische Rechtspopulismus zu entfalten vermag, wenn er erst mal an der Macht ist, wie in den Vereinigten Staaten. Mit wenig nennenswertem institutionellem Widerstand schaffen Donald Trump, JD Vance, Elon Musk und Co. in kürzester Zeit Fakten. Schon in den ersten hundert Tagen der zweiten Trump-Amtszeit wurden die politischen und politisch-kulturellen Errungenschaften der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geschliffen, wenn nicht gar nachhaltig zerstört. Wirtschaftliche und politische Außenbeziehungen werden abgebrochen, Migrant:innen werden unmenschlich behandelt, Bürger:innenrechte stehen unter massivem Druck, sogar die Demokratie und der Rechtsstaat werden immer unverhohlener ausgehöhlt. Die Folgen werden nicht nur in den Vereinigten Staaten spürbar sein. Auch abseits der materiellen Einschnitte bei USAID und anderen internationalen Hilfsprogrammen haben und hatten US-Administrationen immer einen ideologischen Einfluss auf die Welt. Wenn der US-Präsident ein Rechtspopulist ist, dann werden rechtspopulistische Positionen weltweit aufgewertet.1


Doch wie konnte es so weit kommen und was liegt dem Make America Great Again (MAGA)-Populismus ideologisch zugrunde? Wie konnte eine so stark institutionalisierte und ehemals eher (mitte-)rechts und wirtschaftsliberale Partei, wie die republikanische, innerhalb eines knappen Jahrzehnts von einem Mann von zweifelhafter charakterlichen Integrität und hoher Wankelmütigkeit in seinen Taten so umgekrempelt werden? Ich stelle die These auf, dass ein zentraler Aspekt der Radikalisierung der MAGA-Republikaner:innen im für Populist:innen namengebenden und zentralen Begriffs des Volks, bzw. verallgemeinert der Ingroup, liegt. Der Populismus der MAGA-Bewegung bzw. der Republikaner entwickelt(e) sich dabei in den letzten Jahren immer stärker von seinen Anfängen, in denen eher gesellschaftspolitische Fragen (Schwangerschaftsabbrüche, Waffen usw.) adressiert wurden, hin zu einem völkischen white-(christian)-nationalism. Diese Entwicklung versuche ich pointiert anhand von einschlägigen Ereignissen seit dem Amtsantritt von Trump I (2016) nachzuvollziehen.


Populismus – Ein Konzept mit Diskussionsbedarf


Beim Populismus handelt es sich um ein Konzept, welches wissenschaftlich und politisch mindestens umstritten ist. Die damit befassten Forscher:innen legen den Schwerpunkt auf unterschiedliche Erkenntnisinteressen und Phänomene, sodass man sich in der Politikwissenschaft nicht mal darüber einig ist, ob man jetzt eine Ideologie, nur eine Kommunikationsform, eine politische Strategie, oder einen Aspekt der Demokratie selbst beschreibt. Es verwundert dementsprechend auch nicht, dass Populismus unterschiedlich normativ eingeordnet wird.


Im Folgenden wird sich am Ansatz von Cas Mudde, der Populismus als «dünne Ideologie» beschreibt, orientiert. Nach diesem Ansatz zeichnet sich Populismus dadurch aus, dass er die Gesellschaft in homogene und antagonistische Gruppen teilt. Auf der einen Seite steht das, gute, mystische2 und einfache Volk, auf der anderen eine korrupte Elite.3 Populist:innen zielen darauf ab, den Rousseau’schen vermeintlichen «volonté genénérale» als Modus Operandi der Politik umzusetzen. Sie lehnen dementsprechend grundsätzlich die repräsentative Demokratie ab. Dieser Volkswille wird von einem «charismatischen Führer»4verkörpert und repräsentiert, der seine Glaubwürdigkeit vor allem aus dem oft selbstauferlegten und / oder rein performativen Außenseiterstatus zieht. Er wird auch als «demokratischer Wille ohne demokratische Formen»5 beschrieben. Politisch äußert sich der Populismus dementsprechend in einer starken Anti-Establishment-Haltung und muss mit einer weiteren ausgearbeiteten Ideologie (etwa Konservatismus, Sozialismus oder Liberalismus) angereichert werden.


Diese Definitionsansätze lassen sich auf die modernen Populismen – von der namensgebenden US-amerikanischen linksgerichteten People‘s-Party aus der Zeit der Jahrhundertwende bis heute – egal ob links oder rechts, anwenden. Der Rechtspopulismus dagegen, der in seiner neusten Form in westlichen Demokratien seit ca. 25 Jahren anzutreffen ist,6 hat noch einige weitere Charakteristika. Er unterscheidet sich in seiner aktuellen Form vor allem dadurch von vorhergegangenen, dass er inzwischen (mit-)regieren darf und größere Teile der Bevölkerung anspricht, er also einen ernst zu nehmenden Angriff auf gesellschaftliche Fortschritte darstellt7 – etwas, das man nicht zuletzt an der aktuellen Lage in den USA erkennen kann.


Politik für ein Volk


Dem:Der aufmerksamen Leser:in werden bei den bisher genannten Charakteristika des (Rechts-)Populismus und seiner Anhänger:innen wahrscheinlich schon einige Aussagen, Taten oder Policies von Donald Trump oder den Republikaner:innen in Erinnerung gekommen sein. Zur Untermauerung der aufgestellten These soll vor allem auf die aktuell verwendete Konstruktion vom Volk, verstanden als populistische Ingroup, eingegangen werden.


Eine zunehmend auf ethnischen (und religiösen) Merkmalen basierende Konstruktion des politischen Subjekts, ist in einem so heterogenen Einwanderungsland wie den USA an sich schon bemerkenswert und widerspricht dem zumindest bis dahin gültigem nationalem Mythos «einer Nation […], unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für jeden».8 Dass sich seit 1954 hinter der Auslassung im Zitat «unter Gott» verbirgt, gibt aber auch Hinweise darauf, dass es sich um keine gänzlich neue Entwicklung handelt. Trump bzw. seine Vorgänger:innen in der TeaParty, einem radikal rechten, evangelikal angehauchten Flügel der Republikaner, der in der MAGA-Bewegung aufging, beschleunigten die Entwicklung aber maßgeblich.


Schon in seiner ersten Amtszeit, die in der Rückschau davon geprägt war, dass das noch nicht völlig gleichgeschaltete republikanische Establishment die Umsetzung der schlimmsten Auswüchse in materielle Politik verhindern konnte,9 wird dies an Trumps (und Co.) Kommunikation deutlich. Ein schon damals wiederkehrendes Motiv war der Rassismus gegenüber nicht-weißen demokratischen Politiker:innen, die doch bitte dahin zurückkehren sollen, wo sie herkämen (alle waren natürlich Staatsbürger:innen, die meisten auch in den USA geboren). Dies gipfelte in der von Trump und den Republikaner:innen mehr oder weniger offen reproduzierten Verschwörungstheorie, dass Barack Obama in Kenia geboren sei und deswegen nicht zum Präsidenten wählbar gewesen wäre.10 Auch expliziter Antisemitismus spielte in seiner ersten Präsidentschaft und dem dazugehörigen Wahlkampf eine Rolle, etwa als er Jüd:innen unterstellte Politiker:innen zu kaufen,11 oder er ein Bild Hillary Clintons verbreitete, in dem sie vor einem Haufen Geld und einem Davidstern mit der Aufschrift «korrupteste Kandidatin jemals» abgebildet wird.12 Gleichzeitig unterstützte er im Laufe der ersten Amtszeit immer eindeutiger die Rechtsradikalen, etwa bei den Auseinandersetzungen in Charlottesville, wo ein Neonazi nach einem Fackelmarsch einen Gegendemonstranten tötete («Very fine people on both sides»). Dieses Verhalten gipfelte in seiner ersten Amtszeit zum Zeitpunkt des vermeintlichen Endes seiner politischen Karriere: Beim Sturm auf das Kapitol durch einen Zusammenschluss von Verschwörungstheoretiker:innen und extrem Rechten. Auch hier waren die populistischen Thesen, wonach sich das Volk die Kontrolle über den Staat von den korrupten Eliten zurückholen solle, konstitutiv.


Nun mögen manche einwenden, dass Trump nur «trollen» würde («triggering the libs») und viele seiner Aussagen uneindeutig wären, sich also in einem vermeintlichen Graubereich bewegen würden. In dieser Argumentation wird aber verkannt, dass das Brechen von Regeln und die Diskursverschiebung nach rechts das Ziel dieser Aktionen ist. Jene, die den Code verstehen (die Eingeweihten, die Ingroup), nehmen diese sehr genau wahr und fühlen sich von diesen angesprochen. Wahrscheinlich sehen sie ihrem charismatischen Führer sogar das häufig folgende pro forma öffentliche Zurückrudern nach, weil sie ja schon alles wissen, was sie wissen müssen – dass er einer von ihnen ist. Im Trump-Kosmos kommt hinzu, dass das regelmäßige Muster zu beobachten ist, dass aus einem vermeintlichen Witz schnell politisches Programm wird.


Dies ist zum Beispiel bei seinem Feldzug gegen DEI-(Diversity, Equity, Inclusion) Maßnahmen am Anfang seiner zweiten Amtszeit zu beobachten. Hier findet seine immer offener zutage tretende Ablehnung allen vermeintlich nicht-konformistischen (Frauen, Queere, PoCs, Behinderte) gegenüber ihren ersten Höhepunkt. Wohl weniger direkt auf ihn zurückgehend, sondern eher vom evangelikalen Flügel der Partei vorangetrieben, ist hier natürlich auch die Abschaffung des Rechtes auf Schwangerschaftsabbrüche durch den langfristig dafür besetzten obersten Gerichtshof zu sehen.


Radikaler Nativismus


Der radikale Nativismus der neuen, gleichgeschalteten MAGA-Republikaner:innen zeigt sich ebenfalls in der de facto Abschaffung von USAID und anderen humanitären Hilfsprogrammen. Im Namen einer vermeintlichen Kostenkonsolidierung sollen durch diese Kürzungen der einheimischen Bevölkerung im Rahmen von Steuersenkungen zugutekommen.


Das wohl krasseste, folgenreichste, aber auch lehrbuchhafteste Beispiel aus seiner zweiten Amtszeit sind jedoch die Aushöhlungen des Rechtsstaates und der Grundrechte im Zusammenhang mit den Abschiebungen von Migrant:innen. Teilweise ohne Gerichtsverfahren werden Migrant:innen (vereinzelt inzwischen sogar Staatsbürger:innen) von Sicherheitskräften, die sich nicht ausweisen, aufgegriffen und nach El Salvador in berüchtigte Gefängnisse abgeschoben. Neben dieser verabscheuungswürdigen Tat ist für die Zwecke meiner These aber auch die damit einhergehende Inszenierung von Interesse. Denn diese Taten passieren nicht etwa hinter vorgehaltener Hand, sondern werden von der Regierung ausgeschlachtet. Unter dem Motto, kein Erbarmen zu zeigen, jubeln untern den X-Beiträgen der Regierungsaccounts die MAGA-Anhänger:innen frenetisch, wenn Migrant:innen in Ketten gelegt in Flugzeuge geführt werden oder Mahnungsplakate mit straffällig gewordenen Migrant:innen auf dem Rasen vor dem weißen Haus aufgestellt werden. Hier zeigt sich nicht nur der autoritäre Charakter seiner Anhängerschaft, sondern eben auch, wen die aktuelle US-Administration und ihre fanatischen Anhänger:innen zur Ingroup, zum echten US-amerikanischen Volk, hinzuzählen – weiß, christlich, männlich und radikal bis extrem rechts.

  1. Mudde, C. (2022). The Far-Right Threat in the United States: A European Perspective. The ANNALS of the American Academy of Political and Social Science, 699(1), 101-115. https://doi.org/10.1177/00027162211070060.
  2. Moffitt, Benjamin. 2016. The Global Rise of Populism: Performance, Political Style, and Representation. Stanford, California: Stanford university press.
  3. Mudde, Cas. 2004. «The Populist Zeitgeist». Government and Opposition 39(4):541–63.
  4. Decker, Frank, und Marcel Lewandowsky. 2017. «Rechtspopulismus in Europa: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien». Zeitschrift für Politik 64(1):21–38.
  5. Möllers, Christoph. 2012. Demokratie – Zumutungen und Versprechen. 3. Auflage. Berlin: Wagenbach.
  6. Mudde, 2022.
  7. Rensmann, Lars. 2018. «The Persistence of the Authoritarian Appeal: On Critical Theory as a Framework for Studying Populist Actors in European Democracies». S. 29–47 in Critical Theory and Authoritarian Populism. University of Westminster Press.
  8. Übersetzung des Pledge of Allegiance in der aktuellen, seit 1954 gültigen Fassung. Sein Wortlaut ist gesetzlich festgelegt.
  9. (Mudde 2022).
  10. Eine ähnliche rassistische Frage durch eine Zuschauerin bei einer Wahlsendung, wies John McCain, republikanischer Präsidentschaftskandidat von 2008 und bis zu seinem Tod Gegenspieler von Trump im Senat, im Wahlkampf 2008 noch empört zurück.
  11. https://www.youtube.com/watch?v=fZoUc5Vs0tQ.
  12. https://edition.cnn.com/2016/07/04/politics/donald-trump-star-of-david-tweet-explained/index.html.