Verbindungen und Burschenschaften als rechte Elitenkader

Johanna Liebe

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Deutschland, nein danke! Verbindungen und Burschenschaften als rechter Elitenkader erkennen und zerschlagen

Am 8. Oktober wurde in Bayern und Hessen ein neuer Landtag gewählt: Mit großer Besorgnis war an diesem Sonntagabend zu beobachten, wie der blaue Balken im Wahldiagramm beider Bundesländer immer weiter nach oben kletterte. Zweitstärkste Kraft sowohl in Bayern als auch in Hessen; die AfD jubelte. Darunter auch der zweiundzwanzig-jährige AfD-Politiker Daniel Halemba, der an jenem Sonntag über die bayrische Bezirksliste in den Landtag einzog. 

Jedoch hielt die Freudenstimmung bei Halemba nicht lange an, denn auf ihn wartete kurz nach der Wahl ein Haftbefehl. Dieser stützt sich auf eine Mitte September stattgefundene Hausdurchsuchung der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg. Anlass für die Razzia waren im Vorfeld eingegangene Hinweise, welche auf Stickern der Identitären Bewegung, rechtsextremer Kleinstparteien sowie Landkarten mit den Umrissen des Deutschen Reiches von 1914 und den Slogan „Das ganze Deutschland soll es sein“ hindeuteten. Als die Polizisten ankamen, sind die Sticker zwar gerade entfernt worden, trotzdem konnten unterschiedlichste Gewaltgegenstände, NS-Devotionalien, antisemitische Schriften sowie USB-Sticks in Geheimfächern beschlagnahmt werden. 

Auch gegen Halemba persönlich wurden Indizien vermerkt. So soll über Halembas Bett ein ausgedrucktes Befehlsschreiben des SS-Chefs Himmlers gehangen haben, das unverheirateten SS-Männern befahl, außerehelich mit «deutsche[n] Frauen und Mädel[n] guten Blutes» Kinder zu zeugen. Zudem wurde ein Gästebuch gefunden, in welchem er mit der Widmung «Sieg Heil» und seinem Namen unterzeichnet haben soll. Laut Nachrichtenhäusern sollen des Weiteren Fotos von ihm existieren, die ihn marschierend im Block der Identitären Bewegung zeigen. 

Diese Indizien reichten aus, um am 27. Oktober, einige Tage nach der Landtagswahl und drei Tage vor der konstituierenden Sitzung des bayrischen Landtages, einen Haftbefehl wegen Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen ihn zu veranlassen. Jedoch hielt die Hoffnung nach unmittelbaren und weitgehenden juristischen Konsequenzen für den jungen AfD-Abgeordneten nicht lange an. Trotz tagelanger Flucht Halembas nach Bekanntmachung seines Haftbefehls sowie bestehender Verdunklungsgefahr seinerseits, wurde der Haftbefehl vom Amtsgericht Würzburg unter Auflagen aufgehoben. Demnach droht Halemba erstmal keine Untersuchungshaft. Stattdessen muss er sich, solange die Ermittlungen andauern, wöchentlich bei der Polizei melden und darf keinen Kontakt zu Mitbeschuldigten oder seiner Verbindung aufnehmen. Da der bayrische Landtag bei seiner konstituierenden Sitzung Halembas Immunität aufgehoben hat, können strafrechtliche Konsequenzen trotz seines Abgeordnetenstatus folgen. 

Eine Win-Win-Situation: Burschenschaft als Elitenkader für die AfD 

Dass Halemba als Mitglied einer Burschenschaft nun Karriere bei der AfD macht, ist kein Zufall. Diese politische Laufbahn hat System, von welchem beide Seiten – sowohl die Partei als auch die Korporierten – profitieren. 

Einerseits sehen Burschenschaften ihre Nähe zur AfD als eine Möglichkeit an, ihre politische Gesinnung in das politische Tagesgeschäft vermehrt einzuschleusen, andererseits erhofft sich die AfD, mehr Parteisympathisanten sowie -mitglieder aus einem akademischen, rechten Milieu zu akquirieren. 

Zwar ist der Dachverband deutscher Burschenschaften offiziell parteipolitisch neutral, jedoch sind Burschenschaftshäuser, als «ideologischen Panzerdeckungslöcher»1 gegen die Moderne, der rechtsradikalen Szene in all ihren Schattierungen sehr vertraut, was sich letztlich in einer Reihe von personellen Überschneidungen zwischen der AfD und Burschenschaften bestätigen lässt. 

So finden sich Burschenschaftsmitglieder zum einen sowohl als Parlamentarier:innen auf lokaler, Landes- und Bundesebene, darüber hinaus sind sie allen voran auf der Mitarbeiter:innenebene der AfD stark vertreten2. Demnach beschreibt Alexandra Kurth – Politologin und Korporationsexpertin aus Gießen – die AfD als «großer Arbeitsmarkt»3 für Burschenschafter. Sie übernehmen Funktionärsposten und prägen die politische Programmatik und Strategie der AfD in hohem Maße. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht überraschend, dass sich 2018 einige AfD-Mitglieder zusammenschlossen, um einen parteiinternen Akademikerverband „Korporierte in der AfD“ zu gründen4. 

History repeats itself? Das System hat Geschichte

Dass Studenten und Hochschulen eine besondere Rolle für faschistischen Strukturen spielen, ist nichts Neues. Schon in den 1920er-Jahren nahmen sie eine Schlüsselrolle im Aufstieg des Nationalsozialismus ein und gelten als die Wegbereiter des Faschismus. Und das, obwohl eine ursprüngliche Grundüberzeugung deutscher Hochschulen war, dass Wissenschaft und Politik, allen voran Parteipolitik, zwei grundsätzlich voneinander getrennte Bereiche darstellen. Nichtsdestotrotz kam es zu einer kampflosen Kapitulation der Wissenschaft in den 1930er-Jahren. 

Alles andere als unschuldig hieran war die studentische Szene. Bereits im Jahr 1919, bei der Gründung der deutschen Studentenschaft, war ihre politische Ausrichtung christlich-monarchisch sowie von einer grundlegenden Ablehnung demokratischer Entwicklungen geprägt. Anfang der 1920er Jahre setzte sich dann vermehrt nationalistisches Gedankengut innerhalb der Studentenschaft durch. Allen voran der Deutsche Hochschulring, eine verbindungsübergreifende Sammelbewegung, zielte auf eine «rassisch, homogene Volksgemeinschaft» ab und nutze dafür den Universitätsalltag für ihre antisemitische und völkische Werbefläche. Während anfangs deutlich gemacht wurde, dass man den nationalen Kampf abseits von parteilichen Strukturen führen möchte, änderte sich die Auffassung spätestens mit der Gründung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB), eine Gliederung der NSDAP, im Jahr 1926. Mithilfe von Flugblättern forderte der NSDStB alle Studenten nationalsozialistischer Gesinnung im Reichsgebiet auf, sich an ihren Hochschulen in Hochschulgruppen zusammenzuschließen und verschaffte der NSDAP direkten Zugang zu Hochschulen und der Studentenschaft. 

Auch wenn die Verbindungen politisch mit den Nationalsozialisten und allen voran mit dem vorherrschenden Antisemitismus übereinstimmten, wollte die NSDAP den Verbindungen und Burschenschaften nicht die Hochschulen überlassen. Sie hatten eigene Pläne für die parteilichen Strukturen an Hochschulen: Die Kameradschaften. Eine ursprünglich anti-korporative Idee aus der Jugendbewegung wurde vom Deutschen Studentenbund sowie dem NSDStB im Sinne der nationalsozialistischen Gleichschaltungsbestrebungen unterstützt. Dass jene Kameradschaften traditionelle Verbindungshäuser ersetzen sollten, kam bei Verbindern und Burschenschaften nicht gut an. Ihr Widerstand, welcher keineswegs politischer Natur war, führte letztlich zu ihrem Verbot. Zwischen 1934 und 1936 hatten sich die meisten Studentenverbindungen selbst oder wurden zwangsaufgelöst. Auch wenn Verbindungen und Burschenschaften in ihrer ursprünglichen Form während der NS-Zeit nicht existierten, führten ihre Mitglieder mit der Machtergreifung der NSDAP ihre nationalistische Hochschulpolitik in den parteilichen Strukturen fort. 

Bei genauerer Betrachtung der studentischen – vom Faschismus geprägten – Geschichte sind gewisse Konstanten zum Status Quo zu erkennen. Schon in den 1920er Jahren sahen die Nationalsozialisten in den Studenten große Verbündete, insbesondere in ihrem Weg zur Machtergreifung. Sie erkannten, welche wichtige Rolle Hochschulen, ergo Professoren und Studenten, in der Gesellschaft zukommt, weswegen sie parallel zur politischen Machtübernahme auch die Übernahme der Hochschulen zum Ziel hatten. Ähnlich wie heute war diese Strategie durch ein doppeltes Profitinteresse gekennzeichnet: Für ihren faschistischen Aufstieg brauchten sie von Anfang an, seit Mitte der 1920er Jahre, die akademische Elite auf ihrer Seite. Gleichzeitig wurde durch die «sogenannte Säuberung» der Hochschulen – im Rahmen von Verfolgungen und Entlassungen jüdischer und politisch unliebsamer Studenten und Professoren – Stück für Stück Wissenschaft für faschistische Interessen vereinnahmt.

Burschenschaften exmatrikulieren: In Deutschland, Österreich und überall

Weit ausgeprägter ist dieses Phänomen bereits in Österreich. Sowohl die Österreichische Volkspartei (ÖVP) als auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) sind eng mit dem Verbindungswesen verkettet. Während erstere enge Kontakte zu katholischen Verbindungen pflegen, greift die FPÖ auf schlagende, völkische oder deutschnationale Korporationen zurück. So wird bereits heute schon das Führungspersonal der FPÖ allen voran aus völkischen Burschenschaften rekrutiert5. 

Zwar ist der Einfluss von Burschenschaften in der AfD im Vergleich zur FPÖ noch gering, aber auf dem Vormarsch (siehe AfD-Gliederung «Korporierten in der AfD»). Insbesondere bei den aktuellen steigenden Umfragewerten der AfD darf der Einfluss von rechten Studenten auf das politische Tagesgeschäft auf keinen Fall unterschätzt werden. So müssen wir uns immer wieder klar machen, mit einem gesellschaftlichen Rechtsruck geht auch ein Ruck in rechten, studentischen Männernetzwerken einher, welche personell und inhaltlich die AfD füttern. Das eine verstärkt das andere.

Aus diesem Grund ist es für eine konsequent antifaschistische Politik notwendig, Verbindungen und Burschenschaften nicht als akademische Elitennetzwerke zu verharmlosen, sondern als antisemitische, misogyne, völkische Männerbünde, die mit Lebensbundprinzip und Mensur, faschistische Ideologie in die Hörsäle zurückbringen wollen, anzuerkennen und konsequent zu unterbinden. Dafür müssen wir bei Abgeordneten wie Halemba hier und heute anfangen: Rechte Verbinder und Burschenschaften raus aus den Parlamenten und raus aus den Hochschulen! 

1 Christian Fuch; Paul Middelhoff: Das Netzwerk der Neuen Rechten. 2019.

2 https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/jobmaschine-fuer-burschenschafter (28.11.2023).

3 https://www.deutschlandfunk.de/burschenschaften-identitaere-afd-da-existieren-einige-100.html (28.11.2023).

4 https://jungle.world/artikel/2019/32/arbeitsmarkt-fuer-burschenschafter?page=5 (28.11.2023). 

5 https://jungle.world/artikel/2019/32/korporierte-kader (28.11.2023).

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