BEDRÄNGTE DEMOKRATIE 23/2

Editorial: Überlegungen zur rechtsextremen Bedrohung in Deutschland und der Welt

Von Laura Clarissa Loew und Hendrik Küpper


Verunsicherung und Rechtsruck in Krisenzeiten

Von Elisabeth Kaiser

Analysiert wird die Entwicklung der AfD in Deutschland während der letzten 11 Jahre und wie die Partei trotz interner Zerwürfnisse und Skandale an Zuspruch gewinnt. Im Fokus stehen die Einflüsse mehrerer Krisen, von der Eurokrise über die Flüchtlingskrise bis zur aktuellen Energie- und Ukrainekrise, auf die politische Landschaft. Der Text wirft einen Blick auf die Verunsicherung in der Bevölkerung und diskutiert, wie demokratische Kräfte dieser Entwicklung entgegenwirken können.


Neurechte Aktivistinnen – Zur Rolle des Geschlechts im Rechtsextremismus

Von Helene Franke

Die Rolle von Frauen in der rechtsextremen Szene wird zunehmend in der Forschung beleuchtet. Zwischen privater Zurückhaltung und öffentlichen Positionierungen agieren (extrem) rechte Frauen in einem Spannungsfeld. Der Beitrag wirft einen Blick auf die historische Entwicklung dieser Thematik, beleuchtet die Instrumentalisierung von Frauenrechten durch die Neue Rechte und thematisiert, wie weibliche Aktivistinnen auf Plattformen wie Instagram agieren.


Verbindungen und Burschenschaften als rechte Elitenkader

Von Johanna Liebe

Im Fokus des Textes steht die besorgniserregende Verbindung zwischen Burschenschaften und rechten Eliten, exemplarisch durch den Fall des AfD-Politikers Daniel Halemba. Die enge Verflechtung von Burschenschaften und der AfD wird beleuchtet, indem politische Ambitionen über Burschenschaften in die Partei einsickern und umgekehrt. Der historische Rückblick verdeutlicht, wie ähnliche Strukturen bereits in den 1920er-Jahren den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigten.


Sozialdemokratie auf Abwegen: Wie migrationspolitische Debatten die Wahlen in Hessen beeinflusst haben und der Sozialdemokratie schaden

Von Natalie Maurer

In einem offenen Brief äußern über 270 Wissenschaftlerinnen ihre Besorgnis über die migrationspolitische Debatte vor der hessischen Landtagswahl. Der Beitrag analysiert, wie die SPD, insbesondere durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in dieser Debatte agiert hat. Dabei wird auf den schwindenden Einfluss der Jungsozialistinnen und die prekäre Lage der Sozialdemokratie in Bezug auf die Migrationspolitik eingegangen. Die Frage nach dem Verlust sozialdemokratischer Werte und den Herausforderungen für die Jusos und die SPD steht im Mittelpunkt.


Italiens unscheinbarer Weg in die Autokratie

Von Jan Hillgruber

Der Text beleuchtet den Aufstieg von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Südeuropa, insbesondere am Beispiel Italiens. Im Fokus steht die Regierungsbeteiligung der postfaschistischen Partei „Fratelli d’Italia“ unter Giorgia Meloni. Die Analyse betrachtet die außenpolitische Zurückhaltung Melonis auf europäischer Ebene, verknüpft mit Gründen wie fehlender Erfahrung und wirtschaftlichen Interessen. Gleichzeitig werden besorgniserregende innenpolitische Entwicklungen thematisiert, darunter die Streichung des Bürgergelds und demokratiefeindliche Verfassungsänderungen


Die extreme Rechte in Russland: Illiberale Regierung, radikale Gruppierungen und europäische Netzwerke

Von Liliia Sablina; Übersetzung: Laura Clarissa Loew

Der Text untersucht die erstarkenden rechtsextremen Bewegungen, insbesondere in Russland, und ihre vielschichtigen Dynamiken. Dabei werden neonazistische Gruppen ebenso betrachtet wie scheinbar demokratische, aber letztlich illiberale Strömungen. Besonderer Fokus liegt auf der russischen radikalen Rechten und ihrer Kooperation mit europäischen Rechtsextremen, insbesondere in Deutschland.


Gegen die Leerstelle. Skizze einer antifaschistischen Perspektive auf Nahost.

Von Carl Julius Reims

Der Beitrag wirft einen kritischen Blick auf die Haltung der globalen und deutschsprachigen Linken gegenüber dem Nahostkonflikt, insbesondere bezüglich des Terrors der Hamas. Er analysiert die Leerstelle in der antifaschistischen Perspektive und betont die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung.


Hochschulperspektiven


Wissenschaft und Politik im Spannungsverhältnis der Wissensgesellschaft

Von Madita Lachetta

In einer Demokratie spielt die Verbindung zwischen Politik und Wissenschaft eine entscheidende Rolle, insbesondere in Zeiten, in denen Rechtsextreme und Populisten das Vertrauen in die Wissenschaft untergraben. Der Artikel beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Wissenschaft, thematisiert die zunehmende Epistemisierung des Politischen und erörtert die Rolle von Wissenschaft in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Corona-Pandemie. Dabei werden die Überlegungen von Alexander Bogner zur Epistemokratie sowie die Ansichten von Ottfried Höffe zur Moral in der Wissenschaft analysiert.


Promovieren an der Armutsgrenze – Zur Lage von Promotionsstipendiat*innen in Deutschland

Von Luise Klatte – Charlotte Rathjen (für das “Netzwerk Stipendienerhöhung”)

Der Beitrag wirft einen Blick auf die zentrale Rolle von Promotionsstipendien in der deutschen wissenschaftlichen Nachwuchsförderung. Insbesondere werden die Unterschiede zwischen Stipendien und Hochschulanstellungen sowie die prekären Lebensbedingungen von Stipendiatinnen thematisiert. Der Text zeigt auf, warum die aktuellen Reformen im Promotionsstipendienbereich laut dem Netzwerk Stipendienerhöhung nicht ausreichen und verdeutlicht die anhaltenden Herausforderungen für Promotionsstipendiatinnen in der deutschen Forschungslandschaft.


Berichte, Rezensionen und Verschiedenes


Sehnsucht nach dem Männlichen? Feministische Streitpunkte in Sophie Passmanns Pick Me Girls

Von Lina-Marie Eilers

Sophie Passmanns neues Werk „Pick Me Girls“ wirft einen kritischen Blick auf den Begriff der „pick me girls“, der besonders in popfeministischen TikTok-Videos präsent ist. Die Frage, wie Frauen sein sollten, wird kontrovers behandelt, und Passmanns Perspektive auf „weibliche“ Hobbys und ihre eigene Vergangenheit wirft feministische Fragen auf. Schließlich hinterfragt die Rezension, ob Passmanns Buch eher eine persönliche Abrechnung als eine feministische Kampfschrift ist und ob der Umgang mit dem Konzept der „pick me girls“ nicht solidarischer sein sollte.


Bericht Futuring Critical Theory (09.2023)

Von Lukas Marvin Thum

Der Bericht reflektiert die jüngste Jubiläumskonferenz des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt, das sein 100-jähriges Bestehen feierte. Unter dem Motto „Futuring Critical Theory“ wurde die Kritische Theorie seziert, global betrachtet und neu zusammengesetzt. Die Rezension hinterfragt jedoch die Wirksamkeit der Kritischen Theorie in den letzten Jahren und stellt fest, dass die sozialdemokratische Linke sich oft von kritischer Selbstreflexion entfernt hat. Der Text betont die Bedeutung kritischen Denkens, setzt sich mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Migration und Klimawandel auseinander und plädiert für eine Spannung zwischen politischer Integration und kritischem Denken als Weg zur Emanzipation in der Sozialdemokratie.


Wir wollen nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern aus der Kritik der alten Welt die neue finden Ein Bericht vom 50. Jubiläum der Juso-Hochschulgruppen

Von Thekla Mühlpfordt

Die Jubiläumsfeier der Juso-Hochschulgruppen, anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens, im Willy-Brandt-Haus in Berlin war geprägt von Reflexion, Diskussion und dem Blick auf zukünftige Herausforderungen. Unter dem Motto „Wir wollen nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern aus der Kritik der alten Welt die neue finden“ wurden bildungspolitische Themen, feministische und sozialistische Grundwerte sowie aktuelle politische Fragen intensiv behandelt. Die Veranstaltung verdeutlichte die Bedeutung der Juso-Hochschulgruppen als starke Stimme für linke und progressive Bildungspolitik, die auch nach 50 Jahren nichts von ihrer Relevanz eingebüßt hat.


„Das Private ist politisch“ – Ausgangspunkt des Feminismus bei den Juso-Hochschulgruppen

Von Dr. phil. Dagmar Schlapeit-Beck

Die Entwicklung des feministischen Diskurses innerhalb der Juso-Hochschulgruppen von den späten siebziger Jahren bis heute wird in diesem Text beleuchtet. Die Autorin, eine frühe Aktivistin, gibt Einblicke in den Kampf gegen patriarchale Strukturen, undogmatische Reformsozialisten, sowie den Weg zu einer feministischen Identitätspolitik. Die Geschichte reflektiert den Wandel von der Systemfrage über Geschlechterungleichheit zu einem heutigen sozialistischen (Queer-) Feminismus. Trotz erkämpfter Fortschritte und neuen theoretischen Ansätzen bleiben zentrale feministische Forderungen, insbesondere in akademischen Kontexten, unerfüllt.