Wir wollen nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern aus der Kritik der alten Welt die neue finden Ein Bericht vom 50. Jubiläum der Juso-Hochschulgruppen

Thekla Mühlpfordt

By

50 Jahre nach ihrer Gründung in Saarbrücken feierten die Juso-Hochschulgruppen vom 16. bis 18. Juni 2023 ihr Jubiläum im Willy-Brandt-Haus in Berlin.1 Das Wochenende stand ganz im Zeichen der Reflexion über 50 Jahre jungsozialistische Hochschul- und Bildungspolitik sowie der Suche nach Visionen und Lösungsansätzen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen. Das Motto «Wir wollen nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern aus der Kritik der alten Welt die neue finden» diente nicht nur als Leitfaden für die Veranstaltung, sondern kann auch als Grundlage der politischen Arbeit der Juso-Hochschulgruppen verstanden werden.

Das Jubiläum begann am Freitagabend mit einem Festakt. Zu Beginn stellten Lina Eilers und Simone Mangold aus dem Bundesvorstand die theoretischen Grundlagen der Juso-Hochschulgruppen, sowie aktuelle politische Problemstellungen heraus. Saskia Esken überbrachte ein herzliches Grußwort, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit prominenten Gästen wie Carolin Wagner, Saskia Esken und Dr. Eva Quante-Brandt, die mit Johanna Liebe aus dem Bundesvorstand über aktuelle bildungspolitische Fragen und die Rolle der SPD diskutierten. Dabei wurde klar, dass die SPD ihre Rolle als Partei der Bildung wieder stärker übernehmen und den neoliberalen Ideen von Eigenverantwortung linke Lösungen entgegensetzen muss. Besonders in der Kritik stand der Glaube an einen «Aufstieg durch Bildung», dem ein emanzipatorischer Bildungsbegriff, welcher (kritische) Bildung als Selbstzweck versteht, entgegengesetzt wurde. Edelgard Bulmahn und Maria Noichl schlossen die Veranstaltung mit bewegenden Grußworten ab. Anschließend gab es die Möglichkeit zum Austausch zwischen aktiven und ehemaligen Hochschulgrüppler*innen aus fünf Jahrzehnten und anderen Gästen.

Der zweite Tag des Jubiläums bot den Teilnehmenden ein facettenreiches Programm, das in vier Zeitslots mit je drei parallelen Veranstaltungen strukturiert war. Die einzelnen Veranstaltungen spiegelten die Vielfalt aktueller (bildungs-)politischer Fragen wider. Neben Mitgliedern des Bundestags waren auch Bündnispartner*innen der Hochschulgruppen und Expert*innen eingeladen, um einen breiten Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart zu ermöglichen. Unter anderem wurde intensiv über die Rolle von Hochschulen in der Klimakrise, Inklusion und Hochschulen in Ostdeutschland diskutiert. Hierbei wurde das wechselseitige Verhältnis von Hochschulen und Gesellschaft besonders deutlich: Hochschulen sind nicht trennbar von gesellschaftlichen Strukturen, diese prägen das Hochschulwesen auf sämtlichen Ebenen. Zugleich gestalten Hochschulen, Wissenschaft und Forschung gesellschaftliche, politische und ökonomische Zusammenhänge und tragen daher große Verantwortung. Einen Blick auf Herausforderungen und Erfolge der Juso-Hochschulgruppen in den letzten 50 Jahren bot der Mehrgenerationentalk mit Hochschulgrüppler*innen aus allen Jahrzehnten.

Auch die Grundwerte Feminismus, Sozialismus und Internationalismus wurden sowohl in ihren theoretischen Grundlagen als auch in ihrer praktischen Umsetzung diskutiert. Ein besonderer Fokus lag zudem auf der Frage nach sozialistischer Theorie und Praxis an Hochschulen. Die theoretischen Grundlagen wurden durch einen Vortrag mit anschließender Diskussion gelegt, anschließend konnte auf zwei Podien über Arbeitsbedingungen an Hochschulen und studentische Armut diskutiert werden. In diesen Panels wurde deutlich, dass das Bild der privilegierten und feiernden Studierenden nichts als ein Euphemismus ist. Dass der Anteil von Armutsbetroffenen unter Studierenden doppelt so hoch ist wie in der Gesamtgesellschaft, zeigt deutlich, dass die sozialistischen Kämpfe der Juso-Hochschulgruppen für eine studierendenfreundliche Sozialpolitik absolut notwendig sind.2

In einem Vortrag zur Kritik des Popfeminismus wurden pastellfarbene Instagram-Kacheln durch eine wissenschaftlich-feministische Analyse und eine anschließende Diskussion über feministische Streiks ersetzt. Auch die rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft wurden kritisch betrachtet und über eine antirassistische Praxis an Hochschulen, die über liberale Diversity-Strategien hinausgeht, diskutiert. Panels über aktuelle politische Fragen rundeten das Programm ab: So konnte sowohl über europäische Migrationspolitik als auch über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf das Bildungssystem diskutiert werden. 

Abgeschlossen wurde das Wochenende am Sonntag mit einer Reihe von Workshops, die sich mit sozialistischer Theorie und Praxis in der Arbeit der Juso-Hochschulgruppen auseinandersetzten. Neben Vorträgen zur marxistischen Theorie und zum Bildungsideal der Juso-Hochschulgruppen gab es die Möglichkeit, sich mit sozialistischer Praxis im 21. Jahrhundert zu beschäftigen. Hier wurde Raum für vertiefte Diskussionen geschaffen, um die Ideen und Erfahrungen der letzten 50 Jahre zu reflektieren und gleichzeitig den Blick nach vorne zu richten.

Insgesamt war das Jubiläumswochenende geprägt von inspirierenden Gesprächen, spannenden Diskussionen und einem intensiven Austausch zwischen den Generationen. Es wurde klar, dass die Juso-Hochschulgruppen auch 50 Jahre nach ihrer Gründung eine wichtige Stimme für linke und progressive Bildungspolitik sind.

1 Vgl. hierzu auch die letzte Ausgabe der perspektivends – Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik 1/2023, in der viele Positionen und inhaltliche Beiträge aus den Reihen der Juso-Hochschulgruppen anlässlich des Jubiläums versammelt waren.  

2 Vgl. hierzu den Bericht Armut von Studierenden in Deutschland (2022): https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/PaFo-2022-Armut_von_Studierenden.pdf (28.11.2023).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert