Über die Notwendigkeit, weiter Tinte im Feminismus fließen zu lassen 

Von Lina-Marie Eilers

By

Feminismus als Grundwert der Juso-Hochschulgruppen

«In der Debatte über den Feminismus ist genug Tinte geflossen. Jetzt ist sie nahezu abgeschlossen: reden wir nicht mehr darüber. Es wird aber doch weiter darüber geredet, und es sieht nicht so aus als [wäre] das Problem geklärt»1 – Mit diesen Worten eröffnet Simone de Beauvoir ihr Werk Das andere Geschlecht, welches in vielen Kreisen beinahe als die Bibel des Feminismus bezeichnet wird, oder eben mindestens so stark verehrt wird. Gleichwohl ihr Zitat bereits 74 Jahre alt ist, lässt sich die Aktualität dessen im Kontext der jungsozialistischen Hochschulgruppen keineswegs von der Hand weisen: Der feministische Grundwert unseres Verbandes ist unerlässlich, wenn auch zugleich seine inhaltliche Ausgestaltung umstritten und leidenschaftlich debattiert wird. Von außen sind der Streit und die Auseinandersetzung über die inhaltliche Ausgestaltung des Feminismus nur schwer nachvollziehbar. «Es sei doch genug Tinte geflossen», wird erwidert, und ja, hin und wieder fällt jene Äußerung auch in den eigenen Reihen. Doch einmal in die feministische Leidenschaft eingetaucht und den Glauben an und das Träumen von einer emanzipatorischen Utopie frei von geschlechtlichen Zwängen und patriarchaler Totalität gewonnen, wird deutlich, warum wir noch weiterreden müssen und auch nach 74 Jahren noch nicht genug Tinte geflossen ist: Das Problem ist noch nicht geklärt. Ökonomische, politische und gesellschaftliche Machtverhältnisse sind weiterhin durch den Widerspruch der Geschlechter gezeichnet. Die patriarchale Totalität prägt unser individuelles Leben und macht es zu einem, das durchzogen ist von Zwängen. Und auch das «Kernproblem» der Feminist:innen – diegrundsätzlichen Fragen nach Subjekt unserer Emanzipation und Objekt unserer Kritik –  bleibt trotz einer scheinheiligen pastellfarbenen Harmonie der Popkultur, umstritten. Dochdiese Feststellung darf keineswegs Grund zum Ausruhen sein, Grund um die Beine hochzulegen und abzuwarten, bis «die Feminist:innen» mal ihre Streitfragen geklärt haben und nun endlich ihr abgeschlossenes Projekt Feminismus vorstellen können. Als politischer Jugendverband sind sowohl die Auseinandersetzungen mit feministischer Theorie und Praxis, als auch das Erarbeiten einer eigenen feministischen Positionierung, die im Einklang mit unserem sozialistischen und internationalistischen Profil steht, Pflicht. In Reflexion gegenwärtiger gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Entwicklungen, sowie aktueller Debatten und politischer Praxis in der feministischen Linken, soll der Artikel die feministische Analyse und Kritik der Juso-Hochschulgruppen verorten und unsere grundlegende Säule des Feminismus mit kritischem Leben füllen.

Sozialismus und Feminismus – Ein Schlichtungsversuch

Wenn wir die Genese des Feminismusverständnisses der Juso-Hochschulgruppen begreifen wollen, müssen wir wohl mit der theoretischen Debatte anfangen, die durch den berühmten Tomatenwurf 1968 auf dem Kongress des SDS, symbolisiert werden kann2: Was gilt es als erstes zu bekämpfen – Kapitalismus oder das Patriarchat? Was war zuerst da? Kann das eine ohne das anderen existieren oder überwinden wir das Patriarchat zwangsläufig durch die Überwindung des Kapitalismus?

Marxismus und Feminismus befinden sich, wie Heidi Hartmann 1979 ihren Aufsatz betitelt, in einer «unglücklichen Ehe»: Ihr gegenseitiges Ausklammern, das heißt der «geschlechtsblind[e]»3 Charakter der Marxist:innen und der ökonomischen und politischen Geschichtsblindheit der Radikalfeminist:innen führt zum notwendigen Scheitern einer ganzheitlichen Betrachtung der Gesellschaft. Unser Anspruch als sozialistischer und feministischer Verband muss jedoch sein, sowohl die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft als auch die prekäre Situation der Frauen verstehen zu wollen4. In Form einer materialistisch-feministischen Analyse und Kritik obliegt es uns, einen Schlichtungsversuch zwischen den Marxist:innen und Radikalfeminist:innen zu formulieren, die Konfliktlinien des Sozialismus und Feminismus zu vereinen und letztlich die progressive Opposition in den jeweiligen Bewegungen darzustellen. In der sozialistischen Bewegung heißt dies: Den Widerspruch der Geschlechter nicht zum Nebenwiderspruch des Kapitalismus zu verklären und der Annahme, die «Frauenfrage» löse sich mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, mit konsequenter Haltung zu widersprechen. Ähnliches gilt jedoch auch für die feministische Bewegung: Bleibt in der feministischen Kritik eine grundlegende Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, der kapitalistischen Organisation von Produktions- und Reproduktionssphäre und deren historischer Entstehungsprozess aus, dann muss es unsere Aufgabe sein, eine umfassende Strukturkritik in die feministische Bewegung zu bringen und den Feminismus von seiner Praxis der vermeintlich existierenden individuellen (Entscheidungs-) Freiheit hin zu einer kollektiven Bewegung gegen die vorherrschenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu bringen! Aufgabe der Juso-Hochschulgruppen ist es, für mehr Sozialismus im Feminismus und für mehr Feminismus im Sozialismus zu streiten und unsere materielle, das heißt, eine an den sozio-ökonomischen Verhältnissen orientierte Analyse der Gesellschaft, produktiv mit unserer feministischen Analyse zu verbinden.

Das Fortsetzen sozialistisch-feministischer Kritik am neoliberalen Geschlechterregime

Eben dieses Verhältnis von Feminismus und Sozialismus braucht es ebenso in der gegenwärtigen neoliberalen Gesellschaft. In den letzten Zügen des 20. Jahrhunderts verbreiteten sich Ideologien des Kosten-Nutzen-Denkens und der Optimierung ökonomischer Abläufe, zu welchen seit Neustem auch das eigene Selbst zählt. Die neoliberale Mentalität versteht den Markt als freien Ort, frei von staatlichem Handeln, Machtverhältnissen und Ideologien. Klassenzugehörigkeit, Geschlechterfragen und Rassismus sollen der Vergangenheit angehören, denn auf dem freien Markt zählt nur die Identität des homo oeconomicus. Jene Ideologie verschleiert auf den ersten Blick die Geschlechterverhältnisse des gegenwärtigen neoliberalen Systems. Während Frauen mit der Entstehung des Kapitalismus in die reproduktive Sphäre eingehegt wurden, also die Aufgabe trugen, Arbeitskraft durch das Gebären und Erziehen von Kindern, Haushaltsaufgaben und der Pflege von Alten und Kranken zu (re)produzieren und Männer hingegen lohnarbeiten, sind durch die Neoliberalisierung mittlerweile 46% der Erwerbstätigen Frauen5. Frauerwerbstätigkeit, welche sich die bürgerliche Klasse lange nicht leisten musste und die ein Zeichen der ArbeiterInnenklasse war, gilt nun als Goldstandart der Emanzipation.

Doch der Neoliberalismus hat die Ungleichheit der Geschlechter nicht überwunden, sondern lediglich transformiert und unsichtbarer gemacht. Entlang einer vermeintlichen «Natur» der Frau sind verschiedene Arbeitsfelder vergeschlechtlicht: Berufe, die reproduktiven Aufgaben nachkommen, gelten als «Frauenberufe». Frauen seien schließlich einfach emotionaler und fürsorglicher und somit selbstverständlich am besten dafür geeignet, Kinder zu erziehen, alte Menschen zu pflegen oder die Gäste des Unternehmenschefs auf charmante Art und Weise in Empfang zu nehmen. Männer hingegen sind aufgrund ihrer vermeintlich natürlichen Führungsrolle und Rationalität besser geeignet, Unternehmen zu leiten und ökonomisch relevante Entscheidungen zu treffen. Jene reproduktiven Berufsfelder, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, befinden sich in Prozessen der Prekarisierung: Ein viel zu geringer Reallohn, Teilzeitbeschäftigungen, Entgrenzung der Arbeitszeiten und Dauerbefristungen sind vor allem in feminisierten Berufsfeldern keine Seltenheit. Und die Herausforderung der Haus- und Care-Arbeit meistert auch kein Neoliberalismus. Nach wie vor übernehmen Frauen 2/3 der anfallenden Care-Arbeit. Und das trotz Erwerbstätigkeit. Nur wer es sich finanziell leisten kann, lagert die Reproduktionsarbeit aus und greift auf externe, unterbezahlte Putzkräfte zurück – meist Frauen mit Migrationsgeschichte. An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie das Zusammenspiel des kapitalistischen Patriarchats mit rassistischen Strukturen wirkt.

Feministische Kämpfe haben ihre Aktualität keineswegs verloren. Anknüpfend an unsere stetige Vermittlung marxistischer und feministischer Analyse und Kritik, bleibt es Aufgabe der Juso-Hochschulgruppen, die feministische Analyse immer an die materiellen Realitäten der Frauen im kapitalistischen Patriarchat zu knüpfen und in aller Schärfe zu kritisieren.

Eine toxische Kombination: Patriarchat, Neoliberalismus und (Queer-)Feminismus

Die Kombination aus Neoliberalismus und Patriarchat bildet jedoch nicht nur für die real existierende Situation von Frauen eine ungute Mischung, sondern auch für die feministische Debatte selbst. So verschleiern neoliberale Glaubenssätze und die beinahe fanatische Faszination der Individualität nicht nur die Geschlechterverhältnisse, sondern scheinen auch verlockend für viele feministische Debatten und Gruppen zu sein. Diese Entwicklung lässt sich an zweierlei Beobachtungen feststellen: Wer sich als Feminist:in versteht und was als feministisch bezeichnet wird.

Die Selbstbezeichnung als Feminist:in ist beinahe inflationär gestiegen – so ist jeder Mann mit gutem Gewissen, jedes hippe Start-Up aus Berlin-Friedrichshain und jeder linke Macker in einer Studi-WG ja irgendwo Feminist und alle setzen sich selbstverständlich für die Rechte aller vom Patriarchat Unterdrückten ein. Ironischerweise scheinen innere Widersprüche dabei gar kein Problem zu sein: Auf der einen Seite auf performativer Art und Weise die feministische Haltung zu proklamieren und auf der anderen Seite als Mann mit gutem Gewissen nach zwei Bier dann doch einmal den weiblichen Körper berühren zu wollen (ungefragt versteht sich), als hippes Start-Up letztlich (migrantisierte) Frauen in ökonomisch prekären Situationen auszubeuten, oder als linke Macker in einer ranzigen Studi-WG seit Stunden den weiblichen Anwesenden Vorträge darüber zu halten, dass er nicht wählen geht und wenn, dann auch nur die Partei «Die Partei» wählen würde.
Die Polemik aber mal beiseitegeschoben, stellt der Begriff «Feminist:in» heute in vielen Fällen zwar eine obligatorische Selbstbezeichnung dar und sicherlich kann und muss eine verbreitete grundsätzliche Akzeptanz des Themas Feminismus auch positiv hervorgehoben werden. Zugleich wirkt das Wort Feminismus leider schrecklich inhaltsleer, zumindest bei der Beobachtung, dass offensichtlich jede:r Feminist:in sein kann und der Begriff weder an eigenes Handeln, noch an politischer Positionierung gekoppelt ist. Womit die zweite Beobachtung in Betracht gezogen werden muss: Die Verschiebung dessen, was als feministisch gilt und wie dieses Urteil gefunden wird.

Gerade in Anbetracht popfeministischer Debatten gilt auf erstem Blick alles als feministisch, was eben als feministisch bezeichnet wird: Kurze Haare, lange Haare, Beine rasieren, Beine nicht-rasieren, religiös sein, Hausfrau sein, Karriere machen und so weiter. Hauptsache das feministische Subjekt markiert ihr individuelles Handeln als feministisch. Auffällig dabei ist, dass Debatten über Objekte der feministischen Kritik zunehmend auf individueller Ebene6 ausgefochten werden und die strukturelle Ebene für die feministische Kritik mindestens in den Hintergrund gerät oder sogar bewusst ausgeblendet wird. Dazu aber später mehr.
In der popfeministischen Debatte kulminieren zwei gegenwärtige Entwicklungen und kommen auf ungute Art und Weise zusammen: Die tiefe Verankerung neoliberaler und individualistischer Glaubenssätze innerhalb der Gesellschaft, sowie die Dominanz queerfeministischer Positionen in der feministischen Debatte. Die neoliberalen Glaubenssätze und Lobgesänge auf die eigene (Entscheidungs-) Freiheit führen zum einen zu der zuvor erwähnten Tendenz, feministische Kämpfe auf individueller Ebene auszufechten. Zum anderen führen sie zu der Priorisierung liberaler Forderungen nach mehr Entscheidungsfreiheit im feministischen Kampf. An jenen Fokus auf der individuellen (Entscheidungs-) Freiheit schließt sich der dominante Queerfeminismus, der zwar nicht per se als neoliberal diffamiert werden soll, jedoch auf geschmeidige Weise an diesen an. Durch seinen besonderen Fokus auf den Sprechort wird eine objektive Kritik der patriarchalen Gesellschaft beinahe unmöglich. Es zählt nur noch die kulturelle, historische oder politische Position einer Person, aus der sie spricht. Anstatt den Fokus darauf zu legen, was gesagt wird oder politisch gefordert wird, liegt der queerfeministische Fokus auf der Frage danach, wer spricht und aus welcher Position heraus. Dies fügt sich prima in die individualistischen Vorlieben der neoliberalen Gesellschaft ein: Anstatt eine Kritik an den strukturellen Verhältnissen des kapitalistischen Patriarchats zu formulieren, fokussieren sich hegemoniale Feminismen auf individuelle Entscheidungen ihrer feministischen Subjekte. Dieser Schulterschluss von Neoliberalismus und Queerfeminismus lässt sich am kontrovers diskutierten Themenfeld der Prostitution beobachten: Anstatt eine feministische Kritik am Freiertum7 zu formulieren oder aber aus marxistischer Perspektive dem zugrundlegenden ökonomischen Zwang zu kritisieren, dominieren sogenannte «sex-positive» Positionen, die den Glauben an die individuelle Entscheidungsfreiheit der Sexarbeiterinnen einer grundlegenden sozialistischen und feministischen Strukturkritik vorziehen und dabei nicht selten Zwang, Gewalt und Ausbeutung der Frauen in der Prostitution leugnen. In diesem Fall werden neoliberale Ideale (Entscheidungsfreiheit) und dessen Orte der feministischen Abhandlung (Individualität) mit der queerfeministischen Präferenz des Sprechortes gerechtfertigt: Aufgrund dessen, dass einzelne Sexarbeiterinnen ihre Freiwilligkeit betonen, gilt die liberale Position als inhärent feministisch, unabhängig von strukturellen Statistiken der Geschlechterverhältnisse, Armutsbetroffenheit, männlicher Gewalt, Illegalisierung von Migrantinnen oder dem Frauenbild der Freier8. Hinzu kommt, dass all jene, die den neoliberalen Traum einer vermeintlich gleichberechtigten, freien Gesellschaft durch eigene Erfahrungen oder dem Hinweisen auf die Totalität patriarchaler Zwänge gefährden, wiederum durch abwertende Bezeichnungen, wie «SWERF»9, diffamiert werden. 

Am Schulterschluss queerfeministischer und neoliberaler Ansätze muss daher kläglich beobachtet werden: Der Feminismus sitzt in der Falle des Neoliberalismus und hat seinen (struktur-) kritischen Boden unter den Füßen verloren. Für einen sozialistischen Verband, wie unserer es ist, muss es jedoch heißen: Wider der neoliberalen Versuchung! In stetiger Aushandlung zwischen dem Einbeziehen der leidvollen Erfahrungen von Frauen und Queers, ist es trotz und gerade wegen des anpassungsfähigen und hartnäckigen Neoliberalismus, unsere Aufgabe, die Strukturkritik wieder hip zu machen und die neoliberalen Versuchungen immer wieder aufs Neue zu erkennen, zu benennen und zu überwinden10. 

Voran dem Wege, den wir ziehn´- Für einen leidenschaftlichen, kämpferischen und sozialistischen Feminismus!

In der Ausgestaltung des feministischen Grundwertes der Juso-Hochschulgruppen haben wir es uns nie leicht gemacht. Angefangen bei den Vorkämpferinnen, die für den Feminismus in der sozialistischen Bewegung stritten, über die Genossinnen, die in der feministischen Debatte den sozialistischen Finger in die Wunde legen, bis hin zu den Mitstreiterinnen, die die feministische Debatte in unserem Verband aktiv mitgestalten und nach außen tragen: Feministische Theorie und Praxis war nie bequem und sie wird es auch nie werden! Denn unsere interne feministische Auseinandersetzung steht keineswegs isoliert von feministischen Bewegungen, ob auf der Straße oder in den Parlamenten, und ist auch nicht unabhängig von wissenschaftlichen, theoretischen Auseinandersetzungen mit feministischer Gesellschaftskritik. Die Juso-Hochschulgruppen sind aktiv beeinflusst von und nehmen selbst wieder aktiv Einfluss auf gesellschaftliche und wissenschaftliche Kontroversen. Daher bedarf unsere feministische Leidenschaft der Kritik, des Streitens und des Träumens, unsere ständige Vermittlung von Theorie und Praxis und unser ständiges Kämpfen, das «unbequem Sein». 

Unsere feministische Theorie und Praxis muss daher hartnäckig sein, sie muss anecken, den Finger in die Wunde legen und Irrwege aufzeigen – Sowohl in der feministischen, als auch in der sozialistischen Bewegung. Das Zusammenspiel unseres sozialistischen und feministischen Profils führt zur Notwendigkeit einer materialistisch-feministischen Gesellschaftskritik, die auf struktureller Ebene die ausbeuterischen und unterdrückenden Mechanismen des kapitalistischen Patriarchats kritisiert und zu überwinden versucht. Die feministische Bewegung verstehen wir als eine kollektive, weil wir der neoliberalen Vorstellung, sich individuell aus der patriarchalen Gesellschaft befreien zu können, klar widersprechen. Leidvolle Erfahrungen von Frauen und Queers sind immer auf die sexistischen, rassistischen und kapitalistischen Strukturen zurückzuführen und auch nur auf dieser Ebene überwindbar. Kollektiv heißt auch, dass unser Feminismus internationalem Charakter ist. Weder nationale Bestrebungen, noch vermeintlich «linke» kulturrelativistische Positionierungen, werden an unserer internationalen Solidarität mit Frauen und Queers im Kampf gegen das globale Patriarchat rütteln können. Und schließlich muss unsere feministische Gesellschaftskritik antifaschistisch sein. Drohen die Macht- und Herrschaftsstrukturen nur im kleinsten Detail aufzuweichen, folgt der antifeministische, rechte und religiös-fundamentalistische Mob und die patriarchale Ordnung wird auf gewaltvolle Art und Weise wiederhergestellt. 

Für die Auflösung des Widerspruchs der Geschlechter bedarf es also noch literweise Tinte. Und die Juso-Hochschulgruppen werden wie gewohnt leidenschaftlich streiten, aber vor allem werden wir kämpfen – Gegen das kapitalistische Patriarchat und für eine kollektive Überwindung vergeschlechtlichter Macht- und Herrschaftsverhältnisse, für einen demokratischen Sozialismus. 

1 De Beauvoir, Simone (2019): Das andere Geschlecht. S.9

2 

3 Hartmann, Heidi (1979): Marxismus und Feminismus: Eine unglückliche Ehe.

4 Vgl. Mohs (2020): No Women´s Liberation without socialism. No socialism without Women´s Liberation. 

5 Vgl. Statistisches Bundesamt (2021): Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben. [online] https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/teilhabe-frauen-erwerbsleben.html#:~:text=Der%20Abstand%20bei%20der%20Erwerbsbeteiligung,sich%20der%20Anstieg%20allerdings%20verlangsamt.&text=Quelle%3A%20Ergebnis%20der%20Arbeitskräfteerhebung. (zul. 06.05.2023)

6 Siehe hierfür: Stutz, Constanze (2019): Auf dem Fleischmarkt untenrum frei unterwegs. Zum Wiederholungszwang pop-feministischer Erfahrungsliteratur der Gegenwart. [online] https://www.outside-mag.de/issues/9/posts (zul. 06.05.2023).

7 Freiertum ist nach Statistiken beinahe ein rein männliches Phänomen, während der Anteil an Frauen unter Prostituierten 93% liegt. Siehe hierfür:  Angelina, Carina/ Schreiter, Lisa: Ein Milieu im Wandel. Zugänge zum Thema Prostitution. In: Angelina, Carina/ Piasecki, Stefan/ Schurian-Bremecker, Christiane (Hrsg.): Prostitution heute. Befunde und Perspektiven aus Gesellschaftswissenschaften und Sozialer Arbeit. Baden-Baden 2018, S. 20-21 und  ANNEX Report 2008 S. 109.

8 Laut statistischem Bundesamt besitzen zum Beispiel ca. 80% der angemeldeten Prostituierten in Deutschland keine deutsche Staatsbürgerschaft. Siehe hierzu: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_314_228.html.

9 Der Begriff SWERF orientiert sich am transaktivistischen Begriff TERF und steht für «Sex-Worker Exclusive Radical Feminist». Der Begriff wird verwendet, um Feminist:innen, die sich für eine strukturelle Kritik an Prostitution und Freiertum einsetzen, als feindlich gegenüber Sexarbeiter:innen zu bezeichnen. Dass sie sich jedoch für die große Mehrheit der Frauen einsetzen, wohingegen sich die Gegenseite für einen sehr  geringen Anteil, überwiegend Frauen mit deutschem Pass, einsetzen, wird dabei verschwiegen. 

10 Im Beispiel der Prostitution haben die Juso-Hochschulgruppen 2019 eben dies mit dem Antrag Sexarbeit – Weder Sex noch Arbeit getan. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert